performance:
Konstruktion des Blickes

Jedes Bild, das festgehalten wird stellt bereits ein Abbild des Originals dar. Im Bereich des Tanzes sind die Erfahrungen mit einer explizit als subjektiv bezeichneten Kameraführung schon weit fortgeschritten. Die Position der Filmenden zu dem Geschehen im Tanz reicht in seiner Einflussnahme über die Wahl des Focuses und der darin liegenden Interpretation des Geschehens, bis hin zur Möglichkeit der Aufflösung der Bilder mittels Detailaufnahmen bzw der Technik der bewegten Kamera. Der Weg von der Konstruktion in die Dekonstruktion.

Dies zum Thema gemacht hat sich ein Teil der Ausstellung: einem Aspekt des Einsatzes von Video in der Tanzperformance: dem Blick auf den Körper aus der Sicht der Filmenden.

Anhand seiner neuesten Produktion "Königkinder" wird Lutz Gregor über seine Arbeit und die Intention von "physical cinema" berichten.
Physical cinema entstand aus dem Interesse des Tänzers, eine Geschichte hauptsächlich über den Körper zu erzählen und eine narrative mit einer physischen Dramaturgie zu verbinden.

"tangled" Tanzperformance von Ingo Reulecke,
Video: Andrea Keiz


Zur Arbeitsidee der "Konstruktion von Körper, Person und Idendität" wurden Tanz-und Videoschaffende aufgefordert einen Kurzclip von 1 - 7 min. für eine Installation zu produzieren. Interessant ist die unterschiedliche Interpretationsweise der Fragestellung durch die eingeladenen KünstlerInnen Antje Schur (Strassburg/F), Peter Aerni (Bern/CH) / Christine Mauch (Berlin), Reinhard Lorenz (Berlin), Hanna Smitmans (Amstersdam,NL)
"tangled" Tanzperformance von Ingo Reulecke,
Video: Andrea Keiz

"Sehe ich die Hand, die den Boden berührt, sehe ich der Hand an, dass der Boden kalt ist, sehe ich den Boden dadurch, dass ihn eine Hand berührt, sehe ich eine schlanke Hand eine kräftige Hand sehe ich lackierte Fingernägel, sehe ich Zigarettenspuren, sehe ich Haut, Gelenke, Sehnen, sehe ich die differenzierte Bewegung der Hand, sehe ich die Hand einer Frau, sehe ich die Hand eines Mannes. Welches Abbild mache ich mir von dem Gesamtbild aus dem ich nur einen Ausschnitt vorliegen habe. Was höre ich, geht es um eine Person, ein Paar, eine Gruppe, draussen, drinnen, Alltag, Performance....Viele Möglichkeiten Bilder zu sehen, zu focusieren... Die Leseweise eines Bildes oder in diesem Falle eines Körpers unterscheidet sich je nach Intention der Filmenden und der Projektion der Betrachtenden."

In den Ausstellungsräumen präsentiert das Labor des Blickes die Ergebnisse dieser Arbeiten:

Antje Schur: Kamerarolle 1 – Autoporträt / Kamerarolle 2 - Doppelporträtf:

"Die Autoporträts entstehen auf Reisen und Tourneefahrten und dokumentieren eine von mir gewählte Ansicht des jeweiligen Aufenthaltsortes sowie mein Ganzkörperbild aus der Sicht einer sich überschlagenden Kamera. Dabei entsteht aus einem Videostreifen die Bildfolge eines 360° Vertikal-Panoramas.

Beim Doppelporträt wird der Aufenthaltsort zweitrangig. Hier findet die Kamerarolle zwischen zwei sich gegenübersitzenden Personen statt. Diese befinden sich auf einer tandemähnlichen Konstruktion und lösen mit synchronen Körperbewegungen die Drehbewegung der Kamera aus. Innerhalb von 30 Sekunden entsteht ein Ganzkörper-Doppelporträt." (A. Schur)

Im Rahmen des Labors wird die Tandemkonstruktion den BesucherInnenn zur Verfügung stehen und das erstellte Filmmaterial wird direkt auf einem Bildschirm übertragen.

Peter Aerni / Christine Mauch:

P. Aerni und C. Mauch leben seit mehreren Jahren nicht mehr in der gleichen Stadt. Seit 1998 produzieren sie jeweils ein kurzes Tanzvideo, wenn sie sich an verschiedenen Orten/Städten treffen. Allen Produktionen gemeinsam ist das Konzept, dass beide tanzen, während die Kamera (ohne Kameraperson) in einer Einstellung verbleibt. Diesen Sommer in Bern geht es um Detailaufnahmen, und das heißt für dieses Video das Spiel mit Bildausschnitten.

Peter Aerni
Fotos: Peter Aerni

Reinhard Lorenz und Nigel Charnock: AARVE

Ein Performance-Kurzfilm: Die Erinnerung an eine verlorene Liebe. Unentwegte Bewegung als Versuch, mit dem vermissten Gegenüber in Kontakt zu kommen. Der AARVE kommt zurück an den Ort der Begegnung. Es bleibt unklar, ob er ein "echter Geist", oder nur mehr eine Figur in der Erinnerung seines Lovers ist, der/den dieses Bild durch die ganze Stadt verfolgt. Die Berührungen bleiben erfolglos bis zum Schluss.....

Hanna Smitmans: "zij kummen mij terugsturen in een kist"

Ein Tanz, eine Person, eine Situation, eine Geschichte.....

"du erfühllst dein leben
mit deinen händen
ich fühle dein leben
du füllst mich
bewegung belebung wegen"
(Hanna Smitmans)

Hanna Smitmans: "Vier Frauen"

In "Vier Frauen" werden Frauen unterschiedlicher Herkunft bei einer alltäglichen Handlung interviewt und vorgestellt. Die Wahl des Bildausschnittes und die Ruhe, mit der die einzelnen Personen beobachtet werden, rücken diese Kurzdokumentation zum Thema Migration nahe in den Bereich des Tanzvideos.

Einige VideokünstlerInnen und TänzerInnen, deren Arbeiten in der Ausstellung zu sehen sind, werden im Rahmen von Labor aktiv in den Ausstellungsräumen anwesend sein.
Offen für Gäste und Anregungen, wird sich ”Labor aktiv” zwischen öffentlichem Arbeiten und Performance bewegen.
Labor aktiv findet vom 07.09. bis 12.09.01 täglich zwischen 14.00 und 18.00 Uhr im Ausstellungsraum der NGBK statt.

"Moving Frame by Frame", ein viertägiger Tanz-/Videoworkshop, bietet die Möglichkeit, sich unter Anleitung von Reinhard Lorenz und Peter Pleyer eingehender mit den Möglichkeiten der bewegten Kamera auseinanderzusetzen.


>> Lutz Gregor: "Königskinder"

>> "moving frame by frame"

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hybrid video tracks
ein ausstellungsprojekt der NGBK
berlin, 01.09. bis 07.10.2001

Stand: