Image- und Repräsentationspolitik:
Bild und Gegenbild - wer zeigt wen, was, wie?

"Für die Wirkung von Fakten, gegen die Wirkung durch Fiktion" - mit dieser Parole polemisierte einst Dziga Vertov, Urvater des (revolutionären) Dokumentarfilms, gegen jegliche 'bourgoise Filmzauberei'. Die scheinbar realitätsgetreue Abbildfunktion des Filmdokuments wurde aufgeladen mit der Hoffnung in seine aufdeckende, aufklärerische oder agitatorische Kraft - eine Hoffnung, die auch jede neue Generation von VideoaktivistInnen zu teilen scheint.

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Natürlich wissen wir, daß jedes Filmdokument ein höchst artifizielles Konstrukt ist, das über Bildauswahl, Montage, Raum- Zeit- oder Kausalkonzeption u.a. wohl weit mehr über die Subjektivität des Filmschaffenden verrät, als über die äußeren Realitäten. Natürlich wissen wir, daß der Dokumentarvideo seine Glaubwürdigkeit vor allen Dingen über formale Konventionen bezieht, über einen Code von Zeichen, die einen Video/Film als "dokumentarisch" markieren. Wir wissen dies insbesondere in Bezug auf die hegemonialen Bildproduktionen. Exemplarisch hierfür unternimmt Carsten Moeller (fernsehenmachtschön, Leipzig) mit seiner Installation "Waren dabei", eine Dekonstruktion des ideologisch hochgetuneten Bilderkampfes zwischen DDR- und BRD-Fernsehen.

Trotz dieser Skepsis gegenüber der als "dokumentarisch" ausgewiesenen hegemonialen Bildproduktionen, wird allerdings eine solche Kritik in Bezug auf die eigene Videoarbeit zumeist verdrängt und führt nur selten zu einer Praxis jenseits der klassischen dokumentarischen Erzählung. Die hier erstmals als deutsche Übersetzung veröffentlichte grundlegende Polemik des Critical Art Ensemble (USA): "Video und Widerstand: Gegen Dokumentarfilme" attackiert diese Haltung und plädiert in Bezug auf eine widerständige Videoarbeit für freiere, assoziativere Erzählstrukturen.


Die Frage nach der Repräsentation und Darstellung von MigrantInnen, ihren Lebensbedingungen, Interessen usw. stellt eines der zentralen (medialen) Konfliktfelder hierzulande dar. Während sich das staatliche Interesse nach Regulierung von Migration, das sich als ultima ratio in Ausgrenzung, Kriminalisierung und Deportation übersetzt, in einer endlosen Anzahl von TV-Features über sog. "kriminelle Schlepperbande", "kriminelle, Drogen dealende Ausländer", "Asylantenfluten", "Sozialhilfebetrüger" usw. usf. spiegelt, entstand auf der anderen Seite in den letzten zehn Jahren eine ebenso unübersehbare Anzahl von Videodokumentationen sowohl innerhalb als auch außerhalb der hegemonialen Kanäle, die sich, getragen von einem solidarischen Impuls, für die Interessen von MigrantInnen einsetzen.
Mit der Berlin-Premiere von "Dienstleistung Fluchthilfe", stellen wir eine neue Videoproduktion von Martin Krenn und Oliver Ressler vor, die sich in charakteristischer Weise gegen die europäische Abschottungspolitik wendet. Als Vorfilme präsentieren wir eine Anzahl von Videoclips, die im Rahmen der diesjährigen Grenzcamps (in Spanien, an der polnisch-weissrussischen Grenze, sowie am Flughafen Frankfurt) entstanden sind.

Foto: Video "Dienstleistung: Fluchthillfe"

Grenze

Neben dieser Präsentation unternimmt Kanak Attak (Hamburg) im Rahmen eines gemeinsamen Fernsehabends den Versuch, die Darstellung von MigrantInnen in den zumeist von Nicht-MigrantInnen produzierten Solidaritätsvideos zu reflektieren.
Darüber hinaus hoffen wir, während der Ausstellungszeit mit einem Videoworkshop für MigrantInnen im Asylverfahren ein kleinen Beitrag hin zu einer ausgeprägteren medialen Selbstrepräsentation von MigrantInnen leisten zu können. Die Ergebnisse dieses workshops werden in der Ausstellung präsentiert.


>> Installation:

"Waren dabei" - DDR / BRD im Bilderkampf
Carsten Moeller (fernsehen macht schön, Leipzig)
> Textarchiv:
Video und Widerstand: gegen Dokumentarvideos
Critical Art Ensemble (USA)


>> antirassistische Repräsentationspolitik:

Berlin-Premiere der Videodokumentation
"Dienstleistung: Fluchthilfe"
von Martin Krenn und Oliver Ressler
(Vorfilme: Clips zu den diesjährigen Grenzcamps)

MigrantInnen in alternativen Videoarbeiten
ein Fernseh-Abend mit Kanak Attak (Hamburg)

Wer schafft wie die Wirklichkeit?
Pressearbeit und Umgang mit bürgerlichen Medien im Rahmen der letzten Grenzcamps.
Veranstaltung und Diskussion mit Uschi Volz Walk

Videoworkshop für MigrantInnen im Asylverfahren

hybrid video tracks
ein ausstellungsprojekt der NGBK
berlin, 01.09. bis 07.10.2001

Stand: